Eva Grubinger
Pagans & Peacocks
31.01.2025 — 09.03.2025
Eröffnung 31.01.2025, 18.00 Uhr
Donnerstag, 13. Februar, 19.00 Uhr, Künstlerinnengespräch mit Eva Grubinger und Jan Verwoert, Kritiker und Autor
Die in Berlin lebende Künstlerin Eva Grubinger verwandelt vertraute Objekte und Formen durch verschiedene künstlerische Manöver und Eingriffe und bringt so unterschwellige kulturelle Strömungen in der Gegenwart und verborgene Muster in der Vergangenheit ans Licht. Die Arbeiten in Pagans & Peacocks führen diesen Ansatz fort und entwickeln ihn weiter, indem sie Überschneidungen aufspüren und Fusionen zwischen zwei äußerlich nicht miteinander verbundenen visuellen Sprachen schaffen. Viele der Skulpturen erinnern an Vorrichtungen zum Anlocken, Einfangen, Brüten und Füttern von Vögeln. Vergoldet und zeremoniell arrangiert, erinnern sie jedoch auch an liturgische Utensilien oder Architektur, und manchmal sogar an Instrumente des gewaltsamen Verhörs.
Diese Verknüpfung ist zwar metaphorisch auf die unmittelbare Gegenwart bezogen, betrifft aber eine unrühmliche Geschichte, die in der Kolonialzeit begann und erst in der postkolonialen Ära wirklich in Frage gestellt wurde. In der Zeit des Barocks und der Aufklärung verfolgte die Kirche brutal „heidnische“ Gemeinschaften im In- und Ausland, die eine relativ enge und respektvolle Beziehung zur Natur und ihren Rhythmen hatten - und denunzierte sie als Ketzer und Primitive. Aus heutiger Sicht, in der unser Verhältnis zur natürlichen Welt drastisch aus dem Gleichgewicht geraten ist, inszeniert Pagans & Peacocks eine Konfrontation zwischen einem ganzheitlichen Leben in der belebten Natur und dem Drang nach Herrschaft und Ausbeutung.
Als dieses Werk 2024 in Salzburg zum ersten Mal gezeigt wurde, geschah dies im Kontext des barocken Museumpavillons, einer ehemaligen Voliere für tropische Vögel, die aus kolonialen Beutezügen mitgebracht wurden. In Berlin steht die Feinheit der Kunstwerke selbst im Kontrast zu einer anderen, modernistischen, brutalistischen Eleganz, dem Innenraum von Die Möglichkeit einer Insel - einem Raum, der sich bewusst als Zufluchtsort für freies, unideologisches künstlerisches Denken versteht.
Wie bei den „Augen“ in der Pfauenfeder oder der christlichen Lehre von der Transsubstantiation, der Wesensverwandlung- Wein in Blut, Brot in Fleisch - handelt es sich bei vielen dieser Werke um die Darstellung einer Sache in einer anderen. Zwei „Altäre“, ein hoher und ein niedriger, beide mit imperialen, heraldischen Hermelinmustern (ein Tier im Dienste der Macht) bedeckt, verleihen den Räumen, in denen sie stehen, ein kirchliches Ambiente. Hier werden sie zu Orten, an denen die Kreaturen speisen und trinken, sich ernähren, anstatt sich für die Vorherrschaft zu opfern. Auf dem einen Altar erinnert ein Wassertrog an ein kirchliches Weihrauchfass, auf dem anderen eine vergoldete Gras-Raufe an die Krippe Christi. Bei Grubingers Wandarbeiten könnte eine vergoldete Vogeltränke auch ein Weihwasserbecken sein. Rituell anmutende, mit Quasten versehene Seile sind mit vieldeutigen Objekten bestückt: eine verspielte Vogelfutterstelle für Papageien, die ein Satz Daumenschrauben sein könnte, das ganze Arrangement deutet auf ein Instrument der (Selbst?)-Geißelung hin. Andere Seilarbeiten sind mit einer Panflöte oder einem Glöckchen ausgestattet, Lockinstrumente, die auch an Mozarts Zauberflöte erinnern; eine vierte mit einer Weltkugel, die planetarisches Denken suggerieren oder einen zu erobernden Globus.
Grubingers zweidimensionale grafische Arbeiten, die an heraldische Kompositionen anknüpfen, erweitern diese Verwandlungen und Dialektiken. Gekreuzte Federn verwandeln sich in einen Pfeil und ein Schreibgerät (das auch eine Waffe sein kann), ein Schild in eine gefiederte Maske, menschliche Figuren verschmelzen mit Pflanzen und Vögeln - was auf Schamanismus hindeutet - und eine weibliche Alraune blüht zu einem Pfauenrad auf, was den Konflikt zwischen Kontrolle und einer tieferen Verbindung zur Natur andeutet. Doch während der Pfau Stolz, Überlegenheit und Angeberei repräsentiert, ist er auch eine ikonografische Figur der Auferstehung und Unsterblichkeit.
In Pagans & Peacocks verdichtet und beleuchtet Grubinger also ein langes Kontinuum von Schismen als potenzielle historische Lektionen, aus denen wir heute lernen könnten, und sie tut dies auf eine doppeldeutige Weise, welche die Möglichkeit der Erneuerung offen lässt. Wenn ein ausgewogenes Verhältnis zur natürlichen Welt möglich sein soll, müssen wir die historischen Beispiele menschlicher Eitelkeit und menschlichen Herrschaftsstrebens immer wieder neu betrachten und daraus lernen, bevor es zu spät ist.
Eva Grubinger
1970 geboren in Salzburg, 1989-95 Studium an der HdK Berlin (Prof. Valie Export, Prof. Katharina Sieverding), seitdem internationale Ausstellungstätigkeit, zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien zB. nach New York, Los Angeles, Paris, London. Arbeiten im öffentlichen Raum, Lehrtätigkeit, u.a. an der Kunstakademie Düsseldorf und AdBK München. Ihre Arbeiten befinden sich in zahlreichen öffentlichen Sammlungen, u.a. der Berlinischen Galerie, Berlin, dem Museum Abteiberg, Mönchengladbach, dem ZKM, Karlsruhe, dem Kunsthaus Bregenz und dem Belvedere, Wien. Eva Grubinger lebt und arbeitet in Berlin.
Ausgewählte Einzelausstellungen
Museum of Contemporary Art KIASMA, Helsinki (2001), BALTIC Centre for Contemporary Art, Gateshead (2003), Berlinische Galerie, Berlin (2004), Schirn Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt/Main. (2007), Museum der Moderne, Salzburg (2009), ICA, London (2015), Bloomberg Space, London (2016), Belvedere 21, Wien (2019), Museumspavillon, Salzburg (2024)
Ausgewählte Publikationen
Decoy, mit Texten von Martin Hochleitner und Carson Chan (Ausstellungskatalog, Landesgalerie Linz), Sternberg Press, Berlin, 2012; Sculpture Unlimited II. Materiality in Times of Immateriality, Eva Grubinger, Jörg Heiser (Eds.), mit Texten von Mark Leckey, Timotheus Vermeulen, Christiane Sauer, Jussi Parikka, Nathalie Heinich, Mark Fisher, Aleksandra Domanovic u.a.; Sternberg Press, Berlin, 2015; Malady of the Infinite, mit Texten von Stella Rollig, Chus Martínez, Jan Verwoert, und einem Gespräch zwischen Severin Dünser und Eva Grubinger, (Ausstellungskat. Belvedere 21, Wien), Koenig Books, London, 2019; Pagans & Peacocks (Ausstellungskat. Museumspavillon, Salzburg), mit einem Text von Martin Herbert, Salzburg, 2024
Weiterführende Informationen unter www.evagrubinger.com